Viele Herren für kleines Dorf
Hansjörg Pirngruber und Epfendorfs
bewegte Geschichte
Oberndorf. Rund 60 Interessierte kamen in den Schwedenbau, um sich von Hansjörg Pirngruber über "Epfendorf und seine herrschaftliche Vergangenheit", von Herzogin Hadwig bis ins 20. Jahrhundert in Wort und Bild berichten zu lassen. Ein eine große Anzahl der Zuhörerinnen und Zuhörer, darunter auch Bürgermeister Peter Boch, war aus Epfendorf gekommen.
Der Vorsitzende der Gesellschaft für Heimat- und Kulturgeschichte, Alwin Weber, stellte den Referenten kurz vor. Er betonte, dass es durchaus ein Glücksfall sein kann, wenn sich einmal kein "gelerrnter" Historiker sondern ein Techniker der Geschichte annimmt, um mit seiner Denkweise durch klare Strukturen und Grafiken komplizierten historischen Zusammenhängen ein fassbares Gesicht zu geben.
Die erste namentliche Erwähnung Epfendorfs findet sich, so der Referent, in einer Schenkungsurkunde zur Gründung des Klosters Petershausen bei Konstanz 983, als Herzogin Hadwig einen Teil ihres Epfendorfer Besitzes beisteuerte.
Hadwig war eine Tochter des späteren
bayerischen Herzogs Heinrich I. und dessen Gemahlin
Judith und eine Nichte des
ostfränkischen Königs Otto I. Ihr ältester Bruder war Heinrich II. genannt der Zänker. Sie heiratete Herzog Burchard III. von Schwaben, mit dem sie die Burg Twiel ausbaute.
Nach einer Zeit ziemlich komplizierter Machtrangeleien zwischen den großen Adelsgeschlechtern und der "kaiserlosen, der schrecklichen Zeit", als mit Rudolf der erste Habsburger zum deutschen König gekrönt worden war, taucht auch der Ort Epfendorf wieder in den Urkunden auf. Rudolf wollte von seinem Schwager Graf Albrecht von Hohenberg zwei Burgen, wobei er als Pfand unter anderem die Besitzung Epfendorf bot.
Ausführlich schilderte Hansjörg Pirngruber, wie der eigentlich unbedeutende südwestdeutsche Adelige Rudolf von Habsburg zur deutschen Königswürde kam. Nachdem Papst Innozenz IV. Kaiser Friedrich II. 1245 mit dem Kirchenbann belegt hatte, und das Reichsgebiet im Chaos zu versinken drohte, forderte der Papst die Kurfürsten auf, sich auf einen geeigneten Herrscher zu einigen. Diese wählten 1273 Rudolf von Habsburg.
Ein besonderes Kapitel in der Geschichte Epfendorfs stellt die Zugehörigkeit zum Haus Hohenberg und später zu Sulz dar. Auch hier ist es schwierig die Verschiebungen durch Erbfälle und Verkäufe zu verfolgen. Interessant ist, das es auch schon im 16. Jahrhundert eine "feindliche Übernahme" gegeben hat.
Natürlich durften in der Geschichte der Herrschaft von Epfendorf die Herren von Zimmern nicht fehlen. Auch diese verpfändeten oder verkauften ihre Dörfer, darunter Epfendorf, nach den jeweiligen Umständen ohne auf die Bevölkerung die geringste Rücksicht zu nehmen.
Schließlich konnte die Freie Reichsstadt Rottweil nach dem Aussterben der Herren von Zimmern auch deren Besitz ihrem Herrschaftsgebiet eingliedern.
Zum Ende des Vortrages ging der Referent noch auf die Veränderungen ein, die Epfendorf seit der Zugehörigkeit zum Königreich Württemberg und Oberamt Oberndorf betrafen. Vor allen das Ensemble Kirche - Pfarrhaus - Übergang zur Zehntscheuer, das erst in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts abgerissen wurde, stand im Mittelpunkt der Betrachtung.
Hansjörg Pirngruber hat es verstanden, schwierige historische Zusammenhänge und ihre Hintergründe lebendig und durch grafische Aufarbeitung einprägsam darzustellen, manchmal auch Personen unter einem anderen Gesichtspunkt als üblich zu sehen. Ein großer Applaus des Publikums, ein herzlicher Dank Alwin Webers und ein kleines Präsent waren die Anerkennung für eine besondere "Nachhilfestunde" in Heimatgeschichte.
Hansjörg Pirngruber war Experte für Epfendorfer Herrschaftsverhältnisse
Ausfahrt auf den Hohenasperg"Geschichte des Gefangenseins" ist hier anschaulich dokumentiert.
Die jüngste Ausfahrt der Gesellschaft für Heimat- und Kulturgeschichte führte die 28 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf Württembergs "Demokratenbuckel" oder "Berg der Tränen", wie der Hohenasperg auch genannt wird.
Auf der Hinfahrt ging Alwin Weber, der Vorsitzende des Vereins, ganz kurz auf die Geschichte dieses Berges ein. Schon in der Jungsteinzeit, so wird vermutet, war diese Erhebung in der Landschaft besiedelt. Sicher war der Hohenasperg in keltischer Zeit bewohnt, wenn nicht gar Fürstensitz. Um 500 n. Chr. waren dort ein fränkischer Herrensitz und eine Thingstätte. Im Bauernkrieg wurde der Bauernführer Jäcklein Rohrbach vom Burgvogt festgenommen und dort bis zur Auslieferung an den Truchsess von Waldburg, den berüchtigten "Bauernjörg", festgesetzt.
Von 1535 bis 1693 war die Anlage auf dem Hohenasperg Landesfestung des Herzogtums Württemberg.
Heute sind dort das Vollzugskrankenhaus der baden-württembergischen Justiz und das Museum "Hohenasperg - Ein deutsches Gefängnis" untergebracht.
Dr. Silke Knappenberger-Jans vom Haus der Geschichte empfing die Gruppe und umriss äußerst treffend das Objekt der Ausstellung als "Geschichte des Gefangenseins". Hier wird deutlich, wie sich Gefangenschaft in verschiedenen Staats- und Gesellschaftsformen darstellte.
Die Historikerin wies auf eine (nicht nur) in Württemberg praktizierte juristische "Spezialität" hin, die Festungshaft. In Deutschland wurde die „Festungshaft“ erst 1953 durch die „Einschließung“ ersetzt. Im Königreich Württemberg war die Festungshaft, die keinen Ehrverlust nach sich gezogen hat, dreifach abgestuft: Festungsarrest (freie Bewegung im gesamten Anstaltsgelände, Besuch ohne Einschränkung, Verköstigung auch von außen), dafür musste aber für die Unterbringung bezahlt werden, die Festungshaft 1. Grades (man durfte nur beschränkt das Haus verlassen, hatte gehobene Kost und musste nicht arbeiten), Festungshaft 2. Grades (einfache Kost, geringer Hofgang und oft Knochenarbeit beim Festungsbau).
Nach diesen theoretischen Vorbemerkungen führte Dr. Silke Knappenberger-Jans durch die chronologisch geordnete Ausstellung.
Das Zeitalter des Absolutismus wird durch Herzog Karl Eugen und die Affäre um die Familie der Sängerin Marianne Pirker repräsentiert.
Im "Schubart-Zimmer" wird dokumentiert, mit welch üblen Tricks missliebige Personen auf württembergisches Gebiet gelockt und dann eingesperrt wurden. Christian Friedrich Daniel Schubarts (1739 - 1791) zehnjährige Haft auf dem Hohenasperg zeigt einen Wandel der Strategie: Die Gefangenen sollten nicht mehr vernichtet sondern in einer Art Gehirnwäsche "umgedreht" werden.
Im Revolutionsjahr 1848 sei es besonders voll gewesen, wusste die Führerin zu berichten. "Demokraten", deren Ziel eine Republik war, wurden wegen des geringsten Verdachtes lange Zeit in Untersuchungshaft gehalten. Manchmal führte dies zum Verlust der bürgerlichen Existenz. Gustav Werner, Theobald Kerner und Gottlieb Rau stehen für solche Schicksale.
Im späten 19. Jahrhundert waren es vor allem Studenten und Adelige, die wegen des Missachtens des Duellverbotes auf dem Hohenasperg in Festungshaft saßen, denn dies war "ehrenvolle" Haft.
Ein besonderes Kapitel stellt die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft dar. Gegner des Regimes wurden dort in "Schutzhaft" genommen, wie der württembergische Staatspräsident Eugen Bolz.
Das Sammellager für Sinti und Roma, das auf dem Hohenasperg eingerichtet worden war, wurde durch das Schicksal der Familie Hermann Weiß vorgestellt.
Der Raum "Das 20. Jahrhundert", vor allem dessen 70-er Jahre mit dem Auftreten der RAF und der Unterbringung deren Mitglieder in dieser Haftanstalt, war Beispiel für die Rechtsauffassung der neuesten Geschichte.
Helmut Palmer, der "Remstal-Rebell" war letzte Beispiel für "Gefangensein" im Wandel der Geschichte, aber auch wie aus einem anfänglichen minimalen Vergehen ein Riesenprozess werden kann.
Der Vorsitzende der Gesellschaft bedankte sich bei Dr. Silke Knappenberger-Jans für die klar gegliederte Führung, die verschiedene historische Stränge (Staatsform, Gesetze, Menschenrechte) sehr übersichtlich miteinander zu verbinden wusste.
Bild fehlt ...
Vortrefflich wusste Dr. Silke Knappenberger-Jans ganz rechts) die Besucher in die
"Geschichte desGefangenseins" einzuführen.
Text und Foto: Alwin Weber
Einblick in Briefe Königs Wilhelms II.Dr. Albrecht Ernst liest aus der privaten Korrespondenz des Monarchen
Wilhelm II. von Württemberg (1848-1921) galt bis
dato als braver und bürgernaher Landesvater.
Über ganz unbekannte Wesenszüge klärte der
Dr. Albrecht Ernst, stellvertretender Leiter des
Hauptstaatsarchivs in Stuttgart jetzt bei der
Gesellschaft für Heimat- und Kulturgeschichte auf.
Oberndorf. Es waren tiefe Einblicke in das Leben des als
sittsam und politisch arglos bekannten Königs. Albrecht
Ernst beleuchtete anhand seiner Briefe ganz neue Facetten
des Monarchen. Kein Wunder, dass der höchst anschauliche
und lebendige Vortrag des rührigen Referenten nach gut
zwei Stunden mit herzlichem Beifall belohnt wurde.
Vorsitzender Alwin Weber freute sich über die große
Zahl Interessierter und stellte den Referenten vor:
Als Vorsitzender des Württembergischen Geschichts-
und Altertumsvereins und Archivar im Landesarchiv
Baden-Württemberg sei Ernst nicht das
erste Mal in Oberndorf zu Gast, so Weber.
Zahlreiche Briefe des Königs hatte der Historiker vor
drei Jahren ganz überraschend ausfindig gemacht.
Und zwar erhielt er von einem Kölner Professor Nachricht,
dass dessen Großvater, Gottfried von Reden, mit dem
damaligen Kronprinzen Wilhelm in den 1880er- Jahren in
Göttingen Rechtswissenschaften studierte. Aus dieser
Freundschaft heraus besitze er Briefe.
Beim Lesen stellte der Archivar dann fest, dass es
auch Briefe eines weiteren Freundes, genannt »Topf«
gibt. »Das war der Spitzname für Detlev von Plato, auch ein
Freund aus der Studentenzeit «. Von den Berliner Nachfahren
konnte Albrecht Ernst über 400 weitere Briefe erwerben.
In vielen Details und anhand einer Bilderpräsentation
thematisierte der Historiker das Leben des letzen Königs
von Württemberg in dessen 27-jährigen Regierungszeit. Er
schilderte ihn als Jugendlichen, als Ehemann, im Ersten
Weltkrieg und während der Revolution.
Schicksalsschläge kennzeichneten Wilhelms Leben
bis zu seinem Tod mit 78 Jahren. Zuerst starb 1880 sein
Sohn Ulrich im Alter weniger Monate, dann kam 1882 bei
einer Entbindung seine Frau Marie zu Waldeck und Pyrmont
samt des Kindes ums Leben. »Mein ganzes Leben ist
eben gebrochen, zerschmettert. Am liebsten würde ich es
wegwerfen«, schrieb der Monarch an seinen Freund Gottfried.
»Er war nicht der brave König, als der er manchmal dargestellt
wurde«, erklärte Albrecht Ernst, nachdem er anhand
der Korrespondenz mit den beiden engsten Freunden
aufdeckte, warum der König seine zweite Frau Charlotte zu
Schaumburg-Lippe nicht liebte.
»Eine Komödie, die ich vor der Welt aufführen muss«,
schrieb Wilhelm. Dass der König »gegen bestimmte
schwäbische Tugenden eine Aversion hatte«, ließ die Besucher
genauso schmunzeln wie die Aussage Ernsts, dass Wilhelm
besser hochdeutsch sprach als schwäbisch.
Interessant fanden es die Zuhörer, dass der Württemberger
König im Jahr 1887 den Bau der Oberndorfer
Turnhalle unterstützte und »die Waffenfabrik Mauser mit
hochrangigen Orden auszeichnete «.
Bei Truppenbesuchen an der Front schrieb
Wilhelm in einem Brief an seinen Freund Gottfried: »Die
Bevölkerung in den Städten im Elsass ist scheußlich«. Viele
Briefe seien »von leiser Kritik an der Kriegführung und
von der Sehnsucht nach Frieden geprägt«, so Ernst.
Dass die Zeitzeugnisse, die zum großen Teil noch nie an
die Öffentlichkeit gelangten, bei den Zuhörern großen Eindruck
hinterließen, freute die Vereinsmitglieder, die ihre
Gäste in der Pause mit Brezeln und Getränken versorgtenBericht folgt
Von Petra Haubold
Einblick in Briefe Königs Wilhelms II.Dr. Albrecht Ernst liest aus der privaten Korrespondenz des Monarchen
Wilhelm II. von Württemberg (1848-1921) galt bis
dato als braver und bürgernaher Landesvater.
Über ganz unbekannte Wesenszüge klärte der
Dr. Albrecht Ernst, stellvertretender Leiter des
Hauptstaatsarchivs in Stuttgart jetzt bei der
Gesellschaft für Heimat- und Kulturgeschichte auf.
Oberndorf. Es waren tiefe Einblicke in das Leben des als
sittsam und politisch arglos bekannten Königs. Albrecht
Ernst beleuchtete anhand seiner Briefe ganz neue Facetten
des Monarchen. Kein Wunder, dass der höchst anschauliche
und lebendige Vortrag des rührigen Referenten nach gut
zwei Stunden mit herzlichem Beifall belohnt wurde.
Vorsitzender Alwin Weber freute sich über die große
Zahl Interessierter und stellte den Referenten vor:
Als Vorsitzender des Württembergischen Geschichts-
und Altertumsvereins und Archivar im Landesarchiv
Baden-Württemberg sei Ernst nicht das
erste Mal in Oberndorf zu Gast, so Weber.
Zahlreiche Briefe des Königs hatte der Historiker vor
drei Jahren ganz überraschend ausfindig gemacht.
Und zwar erhielt er von einem Kölner Professor Nachricht,
dass dessen Großvater, Gottfried von Reden, mit dem
damaligen Kronprinzen Wilhelm in den 1880er- Jahren in
Göttingen Rechtswissenschaften studierte. Aus dieser
Freundschaft heraus besitze er Briefe.
Beim Lesen stellte der Archivar dann fest, dass es
auch Briefe eines weiteren Freundes, genannt »Topf«
gibt. »Das war der Spitzname für Detlev von Plato, auch ein
Freund aus der Studentenzeit «. Von den Berliner Nachfahren
konnte Albrecht Ernst über 400 weitere Briefe erwerben.
In vielen Details und anhand einer Bilderpräsentation
thematisierte der Historiker das Leben des letzen Königs
von Württemberg in dessen 27-jährigen Regierungszeit. Er
schilderte ihn als Jugendlichen, als Ehemann, im Ersten
Weltkrieg und während der Revolution.
Schicksalsschläge kennzeichneten Wilhelms Leben
bis zu seinem Tod mit 78 Jahren. Zuerst starb 1880 sein
Sohn Ulrich im Alter weniger Monate, dann kam 1882 bei
einer Entbindung seine Frau Marie zu Waldeck und Pyrmont
samt des Kindes ums Leben. »Mein ganzes Leben ist
eben gebrochen, zerschmettert. Am liebsten würde ich es
wegwerfen«, schrieb der Monarch an seinen Freund Gottfried.
»Er war nicht der brave König, als der er manchmal dargestellt
wurde«, erklärte Albrecht Ernst, nachdem er anhand
der Korrespondenz mit den beiden engsten Freunden
aufdeckte, warum der König seine zweite Frau Charlotte zu
Schaumburg-Lippe nicht liebte.
»Eine Komödie, die ich vor der Welt aufführen muss«,
schrieb Wilhelm. Dass der König »gegen bestimmte
schwäbische Tugenden eine Aversion hatte«, ließ die Besucher
genauso schmunzeln wie die Aussage Ernsts, dass Wilhelm
besser hochdeutsch sprach als schwäbisch.
Interessant fanden es die Zuhörer, dass der Württemberger
König im Jahr 1887 den Bau der Oberndorfer
Turnhalle unterstützte und »die Waffenfabrik Mauser mit
hochrangigen Orden auszeichnete «.
Bei Truppenbesuchen an der Front schrieb
Wilhelm in einem Brief an seinen Freund Gottfried: »Die
Bevölkerung in den Städten im Elsass ist scheußlich«. Viele
Briefe seien »von leiser Kritik an der Kriegführung und
von der Sehnsucht nach Frieden geprägt«, so Ernst.
Dass die Zeitzeugnisse, die zum großen Teil noch nie an
die Öffentlichkeit gelangten, bei den Zuhörern großen Eindruck
hinterließen, freute die Vereinsmitglieder, die ihre
Gäste in der Pause mit Brezeln und Getränken versorgtenBericht folgt
Von Petra Haubold
Deftiges und Saftiges
Andreas Kussmann-Hochhalter und Karl Kimmich lesen aus der Zimmerischen Chronik
Als letzte Vortragsveranstaltung des Jahres der Gesellschaft für Heimat- und Kulturgeschichte Oberndorf
stand "Saftiges und Deftiges" aus der Zimmerischen Chronik aus dem Programm.
Karl Kimmich, Vorstandsmitglied des Geschichts- und Kulturvereins Herrenzimmern, und Andreas Kussmann-Hochhalter,
Archivar und Leiter des Museums im Schwedenbau der Stadt Oberndorf hatten ds Programm zusammengestellt.
Für den Veranstalter ist es immer erfreulich wie hier, wenn zusätzliche Stühle aufgestellt werden müssen,
weil mehr Zuhörerinnen und Zuhörer kommen, als vorausgesehen.
So konnte der Erste Vorsitzende der Gesellschaft, Alwin Weber rund 80 Personen begrüßen. Er stellte kurz die
Referenten des Abends und das Programm vor.
Karl Kimmich eröffnete "Saftiges und Deftiges" mit einem Lebensbild (mit Powerpoint-Präsentation) von Karl
August Barack (1827 - 1900), des Herausgebers der beiden auf uns überkommenen Fassungen der Zimmerischen
Chronik.
Karl August Barack, so der Referent, wurde zusammen mit zwei Geschwistern in Oberndorf unehelich geboren.
In der Zeit des ersten württembergischen Königs Friedrich war dies jedoch kein Zeichen unsteter Lebensweise
der Mutter, sondern von Armut bedingt; hatten nämlich die beiden Heiratswilligen ein Gesamtvermögen von weniger
als 400 Gulden, konnten sie kein Bürgerrecht und damit auch keine Heiratserlaubnis erwerben.
Doch das sollte für K. A. Barack zwar eine Erschwernis aber kein Hindernis für seine spätere Laufbahn sein. Sein
erster Lehrer und Verwandte ermöglichten ihm den Besuch der Oberndorfer Lateinschule und später des Rottweiler
Gymnasiums. er studierte in Tübingen Philosophie, Philologie und Geschichte. 1851 promovierte Barack.
Er hatte Anstellungen am neu gegründeten Germanischen Museum in Nürnberg, am Hof des Fürsten von Fürstenberg
in Donaueschingen und endlich in Straßburg, das nach dem deutsch-französischen Krieg wieder zu Deutschland gehörte.
Dort baute er die vormals berühmte, im Krieg 1870/1871 völlig zerstörte Bibliothek mit Bücherspenden aus
ganz Deutschland wieder auf.
1861 besorgte er die Erstausgabe der Zimmerischen Chronik; die neueste datiert aus 1932.
Nach dieser Einführung las Andreas Kussmann-Hochhalter sehr einfühlsam den Schwank "Der Durchfall des Paffen
Blasius aus Bochingen" und "Herr Albrecht von Zimmern und das Gespenst von Stromberg". Diese Geschichte leitete
über zum Beitrag (wieder mit Powerpoint-Präsentation) von Karl Kimmich "Zur Stromberg-Sage und der Zimmerischen
Anamorphose".
Die Stromberg-Sage ist die Gründungssage der Klöster Herrenalb und Frauenalb in mythischer Verklärung. Auch wird
hier die Herkunft der Hirschstangen in der Helmzier des Wappens der Herren von Zimmern erklärt.
In der Pause hatten die beiden Referenten für "Saftiges" - Elbling, Reformations- oder Ketzerbier und Alkoholfreies
gesorgt. Die Vereinsmitglieder Erika Altenburger, Christine und Alwin Weber waren für "Deftiges - Schmalz- und
Leberwurstschnitten, Fleischbällchen und Käsewürfel - zuständig.
Den Gästen haben diese "Trachten" offensichtlich wohl gemundet.
Nach dieser Pause setzte Andreas Kussmann-Hochhalter den Abend mit einer hervorragend gestalteten Lesung des
Gottfried-Keller-Gedichtes "Der Narr des Grafen von Zimmern" fort.
Im Folgenden kam die heute unglaubliche geistige Unbeweglichkeit und Selbstherrlichkeit der Männer dominierten
Justiz zum Ausdruck.
Der Archivar las aus der Zimmerischen Chronik "Die Hexe aus Oberndorf und der Teufel in Schiltach", worin die
Verstickung einer jungen Frau und deren Mutter in Gerüchte, die schließlich zu ihrer Verbrennung führten,
geschildert wird.
Karl Kimmich illustrierte diesen Justizmord mit einer Powerpointpräsentation.
Versöhnlich stimmte wieder der Schwank, in dem Andreas Kussmann-Hochhalter wieder voll pfiffig "Der Streit mit
den Bauern von Wittershausen" zum besten gab. Diesmal war es Johann der Ältere von Zimmern, der erst die Bauern,
dann diese ihn geschickt übervorteilten, bis sich alle friedlich geeinigt hatten.
Nach sehr großen Applaus des Auditoriums gab es noch ein zusätzliches erotisches Stückchen, bei dem der
Vortragende seinem schauspielerischen Talent die Zügel schießen lassen konnte: "Das Lotterliebesleben im
Kloster Kirchberg".
Alwin Weber dankte den beiden Referenten, die an diesem Abend äußerst kurzweilig "Erschütterndes und
Zwerchfellerschütterndes" aus der Zimmerischen Chronik anklingen ließen.
Nicht nur Heiteres hatten Andreas Kussmann-Hochhalter (links) und Karl Kimmich aus der Zimmerischen Chronik zu berichten.
Text und Bild: Alwin Weber
4000 Jahre Pfahlbauten
Ausfahrt zur großen Landesausstellung
Die große Landesausstellung "4000 Jahre Pfahlbauten" in Bad Schussenried und Bad Buchau war jüngstes Ziel der Gesellschaft für Heimat- und Kulturgeschichte. 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer machten sich bei strahlendem Sommerwetter auf de Weg, tief in die Geschichte dieser bemerkenswerten Kultur einzutauchen.
In einem kurzen Einführungsvortrag ging Alwin Weber, der Erste Vorsitzende des Vereins, auf 13 grundlegende Fragen - angefangen von "Was sind Pfahlbauten?" bis "Woher kommt der Name Federsee?" - ein.
In Bad Schussenried begrüßte Beatrice Kraft M. A. die Gruppe. Seit rund 3500 v. Chr. könne man im Bereich des Bodensees und Federsees menschliche Kulturschichten nachweisen. Durch den Sauerstoffabschluss im Moorboden seien die Bedingungen, dass sich organisches Material erhält, besonders gut. Dadurch, so die Restauratorin, hätten sich besonders Pfähle gut erhalten, durch die das Alter genau ermittelt werden könne.
In einem Raum werden die verschiedenen Haus- und Dachkonstruktionen virtuell aufgezeigt; diese Form, einen Bauvorgang verstehbar zu machen mit dem einprägsamen Klackklack des Aufeinandertreffens der Balken wird man wohl schwer vergessen.
Wie eine mächtige Astgabel sich als Firstbalken eignet, zeigte Beatrice Kraft ebenso wie rund 6000 Jahre alte Haushaltsgeräte, so zum Beispiel recht gut gearbeitete Schalen aus Holz, Steinbeile mit passender Schäftung oder Pyrit zum Feuermachen.
Dass in der Jungsteinzeit bereits eine gewisse Arbeitsteilung nachweisbar ist, hat sicher ebenso verwundert wie die weit verzweigten Handelsbeziehungen.
Die Lebensgrundlage bildeten Nacktweizen, Emmer, Einkorn und Gerste. Auch die zu deren Verarbeitung nötigen Werkzeuge, wie Mahlstein und Läufer, sind in der Ausstellung zu sehen. Natürlich waren auch Pilze, Beeren, Baumfrüchte und Wurzeln auf dem Speiseplan, der aber auch Fleisch von Rind, Schaf, Auerochse, Schwein und Ziege enthielt. Eine Besonderheit in der Ernährung war am Federsee sicher das Vorkommen der Wassernuss.
Anhand von Siedlungsmodellen, die nach archäologischen Befunden erstellt wurden, lassen sich schon soziale Unterschiede im Hausbau ausmachen. Eiche war Baustoff der Höherstehenden.
Entscheidend für das Transportwesen war der Übergang von der Schleife zur Achse mit Rad. Eine Achse mit Rad plus Schleife ergab einen einachsigen Karren, mit dem sich Lasten leichter transportieren ließen. Ungefähr 5000 Jahre alte Scheibenräder wurden am Federsee gefunden.
Für Archäologen höchst überraschend dürfte sein, dass bisher bei Pfahlbausiedlungen keine Gräber entdeckt wurden.
Von besonderer Bedeutung für das Geistesleben dürfte das Kulthaus von Ludwigshafen sein, auf dessen mit Lehm verstrichenen Wänden Frauenbrüste aus Lehm aufgesetzt waren. Reisige Ahnenstelen, feinstens bearbeitet, und zeremonielle Werkzeuge zeugen von hoher handwerklicher Fertigkeit.
Welche Möglichkeiten Birkenbast und Birkenrinde boten, wird in weiteren Schaukästen gezeigt. Dass sich mit aus Birkenrinde gewonnenem Teer Pfeilspitzen an den Pfeilschaft kleben lassen, zeugt von hohem technischen Verständnis.
Den Übergang zur Bronzezeit bilden Gussformen, die dem flüssigen Metall die Gestalt gaben.
Bisher war die Jungsteinzeit das Thema der Ausstellung, Nach einer Mittagspause ging die Fahrt weiter nach Bad Buchau, wo im dortigen Federsee-Museum die Bronzezeit, der Zeitraum von 2200 v. Chr. bis 800 v. Chr. im Mittelpunkt stehen sollte.
Bastian Sturm, der die Gruppe führte, meinte, dass sich gerade zu dieser Zeit "etwas tat".
In einem "Wimmelbild" vom Leben in der Bronzezeit konnte der Archäologe Sturm so manche Einzelheit erklären.
Alles dominiert das Metall, die Bronze. Das Erschmelzen der Bronze aus ungefähr zwei Drittel Kupfer und einem Drittel Zinn ist Sache von hoch spezialisierten Schmieden. Da weder Kupfer noch Zinn vor Ort gefunden wurden, mussten diese Stoffe durch Handel erworben werden. Zinn wurde vor allem aus Britannien, Kupfer aus dem Mittelmeerraum importiert. Durch die dafür notwendig Mobilität wurden natürlich auch neue Ideen verbreitet.
Der Ackerbau mit dem Pflug brachte jetzt größere Erträge. Die Metallverarbeitung hatte eine Blütezeit; in Bad Buchau sind feinste Gussformen für massive Stücke und auch Stücke, die in "verlorener Form" gegossen wurden, zu sehen. Sicheln mit ergonomisch geformten Handgriffen (auch für Linkshänder !) sollten das Arbeiten erleichtern.
Dinkel, Hirse, Linse, Erbsen und Ackerbohnen waren nun die Alltagskost.
Ein eleganter, dünnwandiger Einbaum vom Federsee (Am Bodensee hat man noch keinen gefunden.) weist im Inneren zwei Feuerstellen auf; hat man die Fische schon mit Licht angelockt?
Neben den hochstehenden Techniken wie Stricken und Weben zeigt die Ausstellung aber auch die andere Seite der Bronzezeit: ohne Zweifel wurden ein Mädchen und ein Junge rituell geopfert.
Am Schluss der Ausstellung ist das Modell einer Fischfanganlage für Hechte zu sehen. Interessanterweise hat man um den Federsee ein große Anzahl an Kopfskeletten von Hechten, aber keine weiteren Gräten gefunden. Auf der Heuneburg, so Bastian Sturm, wurde Hechtgräten im Mengen entdeckt, aber keine Köpfe. Waren also die Federseeanwohner die Hechtlieferanten für den keltischen "Fürsten" auf der Heuneburg?
Nach einer kleinen Kaffeepause trat die Gruppe in der Gewissheit viel Neues gehört und gesehen zu haben die Heimfahrt an.
Das Kloster Schussenried war erste Station der
Ausstellung "4000 Jahre Pfahlbauten".
Text und Bild: Alwin Weber