Gesellschaft für Heimat- und Kulturgeschichte Oberndorf a.N. e.V.
Oberndorf. Von ihrer unfreundlichen Seite zeigte sich die sprichwörtlich „raue“ Alb bei der ersten Ausfahrt der Gesellschaft für Heimat- und Kulturgeschichte in diesem Jahr, deren Ziel das Maschenmuseum in Albstadt-Tailfingen war.
Führerin Johanna Joachim ging zunächst auf die sozialen Gegebenheiten auf der Schwäbischen Alb im 19. Jahrhundert ein. Der karge Boden und die Realteilung des Besitzes im Erbfall waren der Landwirtschaft abträglich und erforderten einen Nebenerwerb.
Wenn der Boden für den Ackerbau zu schlecht war, Schafzucht und der Anbau von Flachs, einer Pflanze, die an Boden und Klima keine großen Ansprüche stellt, konnten immer noch betrieben werden. Flachs ist aber empfindlich in der Weiterverarbeitung.
Johanna Joachim verstand es bestens, die einzelnen Arbeitsgänge vom Flachs zum Leinen klar verständlich darzustellen und daraus noch viele Redewendungen wie „jemanden durchhecheln“ abzuleiten.
Breiten Raum nahm das Kapitel „Weben“ ein. An einem Webstuhl aus dem 19. Jahrhundert wurde der Webvorgang veranschaulicht. Kaum vorstellbar ist, welch komplexe Welt sich hinter der Webtechnik verbirgt.
Anders als beim Weben, wo immer rechtwinkelige Garnverbindungen hergestellt werden, entstehen beim Wirken Reihen von Maschen. „Coulierstühle“ stehen als eindrucksvolle Zeugen für diese Technik im Museum. Auch das Stricken erfuhr im 19. Jahrhundert eine Wendung und Automatisierung. Dieses immer mehr maschinelle Stricken (tricoter = stricken) führte dazu, dass viele Weber zu Strickern oder Wirkern wurden, denn das Geschäft mit Tricotagen blühte.
Der Vertrieb der fertigen Waren lag lange Zeit in den Händen von Hausierern. Sie waren nebenher auch Verbreiter von Informationen.
Dass die Tricotwäsche vom württembergischen Königshaus für die Armee gutgeheißen wurde, gab diesem Industriezweig mächtigen Aufschwung.
Die sozialen Verhältnisse auf der Alb waren sicher nicht so menschenverachtend wie in Schlesien, doch auch in Württemberg waren die Gewinner die großen Fabrikherren. Kinder unter vierzehn Jahren durften „nur“ von 9 bis 12 und 13 bis 16 Uhr arbeiten. Frauen, die in Heimarbeit arbeiteten, mussten mit dem „Fabrikanten“ den Lohn selbst vereinbaren.
Noch viel war zu sehen unter dem Begriff „Ausrüstung“, worunter die Veredelung der Gewebe zu verstehen ist. Imprägnieren, Rauen, Bleichen und Färben fallen darunter.
Die modernsten Maschinen zeigten deutlich, dass auch in der Textilindustrie der Trend dahin geht, mit immer weniger Menschen ein Maximum an Ware zu produzieren.
Eine höchst interessante Zeitreise durch die Welt der Textilien mit ihren sozialen und technischen Aspekten.
Einen interessanten Einblick in die Welt der frühen Textilindustrie konnten die Teilnehmer der Ausfahrt ins
Maschenmuseum Albstadt-Tailfingen gewinnen. Text und Foto: Alwin Weber
Oberndorf. 24 Personen folgten der Einladung der Gesellschaft für Heimat- und Kulturgeschichte, die Gäumetropole Herrenberg einmal näher kennen zu lernen.
Karl Heinz Dettling, der Führer durch Herrenberg, nannte als Gründungsjahr der Stadt durch die Pfalzgrafen von Tübingen 1250. Lange Zeit waren die Pfalzgrafen die Herren, ehe die Stadt an die Grafen von Württemberg fiel.
Zu Beginn des 19 Jahrhunderts wurden, so der Stadtführer, die Tore abgerissen. Die Häuser, die heute dem Marktplatz sein charakteristisches Aussehen geben, entstammen dem 17. Jahrhundert. Vor allem die Händler-familie Köhnle ließ prachtvolle Gebäude errichten.
Von hier ging es weiter die Tübinger Straße lang mit der um 1400 erbauten Spitalkirche zum Heiligen Geist.
In unmittelbarer Nähe kam Johann Valentin Andreae (1586 – 1654), ein Theologe, der großen Einfluss auf den Protestantismus hatte, zur Welt. Eines seiner Hauptwerke war „Chistianopolis“, der Entwurf einer idealen christlichen Gemeinde.
Gleich daneben ist das Geburtshaus von Heinrich Schickhardt (1588 – 1635), einem der größten Renaissance-Baumeister zu sehen. Heinrich Schickhardt war Enkel des aus Siegen nach Herrenberg zugezogenen gleichnamigen Schnitzers, der das prachtvolle Chorgestühl der Stiftskirche geschaffen hat. Der Plan der Stadt Freudenstadt mit dem riesigen Marktplatz, auf dem noch das Schloss errichtet werden sollte, geht unter anderem auf Heinrich Schickhardt zurück.
Der Fruchtkasten oder die Zehntscheuer, auf romanischen Grundmauern errichtet – heute Museum zur Stadtgeschichte – ist ebenfalls in diesem Stadtquartier zu finden.
Über die Straße „Auf dem Graben“, an der man Reste der alten Stadtmauer sehen kann, führt der Weg weiter. Nach einem Blick auf den „Adler“, das älteste Gasthaus der Stadt, sind vor allem die Häuser auf der Stadtmauer interessant. Hier auch erschließt sich die Kombination zwischen mittelalterlicher und moderner Bebauung.
Der „Pendelschlagbrunnen“ mit Figuren von Helmuth Erath und Peter Lenk nimmt nochmals Bezug auf das Weltbild von Heinrich Schickhardt.
Durch das ehemalige Handwerkerviertel. das „Gerbertor“ weist darauf hin, führte der Weg über eine „Löwenstaffel“ genannte Treppe wieder zurück in die Altstadt mit dem ältesten Haus Herrenbergs und dem Haus „Deutscher Kaiser“ aus dem 14. Jahrhundert.
Der folgende Aufstieg zur Stiftskirche, zur „Glucke im Gäu“ war anstrengend; der Besuch der gotischen Hallenkirche hat jedoch die Mühe gelohnt.
Die anschließende Kaffeepause in einem Eiscafé am stadtbeherrschenden Marktplatz war wohlverdient.
Stadtführer Karl Heinz Dettling (Fünfter von links) hatte eine aufmerksame Besuchergruppe und wusste
viel über Herrenberg zu erzählen. Text und Foto: Alwin Weber
Die Gesellschaft besucht Partnerstadt Thierville bei Verdun 27. – 30. Juni 2013
Die Teilnehmerzahlen an beiden Ausfahrten der Gesellschaft für Heimat- und Kulturgeschichte zur Landes-Ausstellung „Im Glanz der Zaren“ bestätigte das große historische Interesse an der Beziehung zwischen dem Zarenreich Russland und dem Herzogtum, später Königreich, Württemberg. Die erste Gruppe besichtigte am Donnerstag unter Führung von Dr. Helga Müller-Schnepper (am Samstag Dr. Susanne Bosch-Abele) die Ausstellung.
Zu Beginn macht eine Karte, die Europa bis zum Ural zeigt, den geografischen Unterschied zwischen Russland und Württemberg klar: ein Riese und ein Zwerg. Fünf Stühle stehen stellvertretend für fünf starke Frauen in einem Salon. Von 1776 bis 1872 wurden zwei württembergische Prinzessinnen nach Russland verheiratet, drei Großfürstinnen heirateten nach Württemberg.
Am Anfang dieser Liaisonen stand die Verehelichung des russischen Kronprinzen Paul (Sohn Katharinas der Großen) mit der württembergischen Prinzessin Sophie Dorothee, die als Zarin Maria Fjodorowna hieß. Ein besonderes Schmuckstück der Ausstellung ist das Krönungskleid Maria Fjodorownas, das zum ersten mal außerhalb des Kremls gezeigt wird – eine Schöpfung von Silberfaden-Stickerei auf silbernem Brokat.
Eine Tochter von Zar Paul und Maria Fjodorowna wird Königin in Württemberg: Katharina wird 1816 mit Kronprinz Wilhelm I. verheiratet, der im selben Jahr zum König gekrönt wird. 1816 wird für das junge Königreich fast zur Katastrophe; es ist „der Sommer ohne Sonne“. Es gibt keine Ernte. Katharina Pawlowna setzt einen Teil ihrer sagenhaften Mitgift ein, Getreide zu überhöhten Preisen zu kaufen. Auf diese Wohltätigkeit soll auch die Büste hinweisen, die Katharina als Göttin Ceres darstellt. Ihr positiver Einfluss auf die soziale Entwicklung des Landes kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Als sie mit 31 Jahren, vom Volk tief betrauert, stirbt, errichtet ihr König Wilhelm die berühmte Grablege auf dem Rotenberg.
Prinzessin Friederike Charlotte Marie von Württemberg, 1807 in Stuttgart geboren, heiratete den Großfürsten Michail Pawlowitsch, den jüngsten Sohn des Zaren Paul und seiner Frau Maria Fjodorowna. Großfürstin Elena Pawlowa, so ihr russischer Name, ist in dieser Ausstellung durch exquisite Möbel repräsentiert. Sie hat aber auch historische Dimension: Bei Ausbruch des Krimkrieges 1853 gründete sie die Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern „Zur Kreuzerhöhung“ zur Pflege der Verwundeten. Leidenschaftlich setzte sich Elena Pawlowa für die Abschaffung der Leibeigenschaft der Bauern ein.
Die wohl populärste Zarentochter, die einen württembergischen Monarchen ehelichte, war sicher Olga Nikolajewna, Königin Olga, die Gemahlin König Karls. Höhepunkt der Stuttgarter Ausstellung ist die Aussteuer, die Olga – neben ihrem gigantischen Vermögen – mit nach Württemberg gebracht hat. Der ganze Prunk eines absoluten Staates des 19. Jahrhunderts wird hier sichtbar. Doch auch Königin Olga bewegte noch mehr: Ihr soziales Engagement scheint grenzenlos: Das Kinderkrankenhaus „Olgäle“, die Nikolaus-Blindenpflege und das (Karl)-Olga-Krankenhaus gehen unter anderen auf sie zurück.
Die letzte der Frauen, die in den russisch-württembergischen Beziehungen eine Rolle spielten, ist Großfürstin Wera Konstantinowna, die Adoptivtochter König Karls und Königin Olgas, die Herzog Eugen von Württemberg heiratete.
Als „schwer erziehbar“ wurde Wera neunjährig zu ihrer Tante Olga nach Stuttgart geschickt. Wenn sie auch ein „Teufelsbraten“ war, zwischen Wera und ihrer Tante entstand im Lauf der Zeit ein Gefühl von Zuneigung, ja Wärme und Dankbarkeit.
Die „Wera-Heime“, in denen für ledige Mütter gesorgt wurde, gehen auf sie zurück und haben sicher manches Leben gerettet.
Typisch scheint für diese hoch gebildete Frau auch eines ihrer Hobbys zu sein: die Fotografie.
Jeder der fünf Frauen ist ein großer Raum gewidmet, der in seiner Ausstattung den jeweiligen Geist der Zeit zu atmen scheint. Kostbarste Exponate und auch liebenswürdig Kleinigkeiten charakterisieren diese Herrscherinnen.
Die Austellung "Im Glanz der Zaren" zog wieder viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer in das
Alte Schloss in Stuttgart. Text und Bild: Alwin Weber